Als ich 1996 meine ersten Olympischen Spiele bestritt, waren dies die ersten Spiele, bei denen Frauen genauso viele Disziplinen hatten wie die Männer. Erst 2016 in Rio konnten Frauen jedoch 1500m Freistil schwimmen und die Männer im Gegenzug auch die „Frauenstrecke“ 800m Freistil. (Ich hätte ja die 800m Freistil aus dem Programm gestrichen, um die Anzahl der Disziplinen nicht weiter zu erhöhen.) Es war ein langer Weg zur Geschlechtergerechtigkeit im Sport. Im Schwimmen durften Frauen erst in Stockholm 1912 überhaupt teilnehmen. Auf dem Bild überreicht der schwedische Kronprinz Gustav Adolf der deutschen Damen-Schwimmstaffel (4x100m Freistil) die Silbermedaille.

Als ich Mitte der 1990er in die Weltspitze schwamm, war klar, dass ein Titel als Deutsche Meisterin in fast allen Disziplinen auch international für Finalteilnahme stand. Wir Frauen waren so gut, dass jede Staffel, die keine Medaille holte, schon ein Flop war. Was wir Frauen bei den Olympischen Spielen 2000 jedoch gebraucht hätten, wäre ein vermittelnder Bundestrainer oder vielleicht sogar psychologische Betreuung gewesen. Ich habe immer die Männer dafür beneidet, dass es ihnen so gut gelungen ist, die Konkurrenz im Schwimmbecken zu lassen. Etwas mehr Solidarität hätten wir von unseren männlichen Kollegen durchaus lernen könnten. Mein Sportlerinnenleben lang habe ich immer von Männern profitiert. Ich hatte großartige Trainer und viele gute Trainingspartner. Es ist ein Privileg von uns Frauen, immer gute Trainingspartner in Männern finden zu können. Übrigens hat mein Trainer Bernd Henneberg den Frauentag nie vergessen, den Kindertag aber auch nicht!

Das einzige, was ich damals als ungerecht zwischen Männern und Frauen im Sport empfunden habe, ist, dass Männer mehr nach ihrer Leistung und Frauen oft auch nach ihrem Aussehen beurteilt wurden und werden.

Persönlich habe ich erst als Mutter wirklich gespürt, was es bedeutet eine Frau zu sein und habe das immer als schön empfunden. Das soll nicht heißen, dass nicht auch Väter Kinder betreuen können und wollen!

Jetzt zu Corona-Zeiten reißen Gräben wieder auf, die ich für bald überwunden gehalten hatte. Im Lockdown fällt die Kinderbetreuung und Home Schooling mehrheitlich den Müttern zu. Viele Mütter wollen aber trotzdem arbeiten. Die Super-Mutter kocht, putzt, macht Home Schooling und nebenher Home Office. Bei formaler Gleichstellung, härter zu arbeiten als die Generationen zuvor und noch immer einen strukturellen Gehaltsunterschied zwischen den Geschlechtern zu haben (fast 20%!), ist das nicht ein Widerspruch? Ach ja, Ehegattensplitting gibt es ja auch noch.

Dass Kinder und Familien in Deutschland keine hohe Priorität im Kampf gegen Corona haben, zeigt sich unter anderem in der auch nach einem Jahr Pandemie noch schlechten digitalen Ausstattung der Schulen, fehlenden Luftfiltern und Tests. Vielleicht bräuchte es mehr Frauen in den Pandemiestäben? Aber warum sollten nicht auch Männer an Kinder denken? Ist das Ministerium für

„Familie, Frauen und Soziales“ noch immer „Gedöns“, wie es einst ein Altkanzler formulierte?

 

Gar nicht ganz unterschwellig zeigen sich Rollenbilder in Kinderbüchern:

„Unsere Lehrerin hat auch was gekriegt (zum Ende des Schuljahres). Jeder von uns hat ihr ein Geschenk gegeben, das unsere Eltern für sie gekauft haben. Sie hat sich sehr gefreut, nämlich jetzt hat sie vierzehn Füllhalter und acht Puderdosen und sie hat gesagt, so viel hat sie noch nie bekommen, nicht mal voriges Jahr!“ Herr Goscinny  beschreibt im „Kleinen Nick“ die 1960er in Frankreich. Da hatten Frauen gerade mal 20 Jahre Wahlrecht (1944). Heute sind arbeitende Mütter in Frankreich genauso normal wie im Osten Deutschlands. Im Westen gibt es mancherorts noch heute die „Rabenmutter“, die ihre Kleinsten nicht selbst betreut wie die Glucke die Küken. Aber warum machen wir Frauen es uns selbst so schwer, gerade wenn es um Kinder geht? Ob ich meine Zeit komplett den Kindern widme oder mit Kindern arbeiten möchte, daraus sollte kein Gesinnungskrieg werden.

Auch wenn ich Mütter und Väter respektiere, die mit ihren Kindern zu Hause sind, mag ich es nicht, wenn eine „klassische, normale“ Familie als Familie bestehend aus arbeitendem Vater, nicht oder halbtags arbeitender Mutter und zwei Kindern definiert wird und alles abseits dieser Norm schwer diskutiert werden muss. Das Ravensburger-Sachbuch „Mein Kindergarten“ beginnt mit den Sätzen: „Felix ist drei Jahre alt. Er ist schon ein richtiges Kindergartenkind.“ Da waren meine Kinder schon zwei Jahre glücklich in der KiTa. KiTa mit Wickelkindern, die Wirklichk

eit meiner Kinder, gibt es in den Büchern gar nicht. Im Tip-Toi-Buch „Vorschulwissen“ sagt eine Frau im Laternenumzug: „Mein Mann hat heute Abend einen Geschäftstermin, deshalb konnte er nicht mitkommen. Dabei liebt er Laternenumzüge. Vielleicht leiht Jakob ihm ja heute Abend seine Laterne. Dann kann er zu Hause noch ein bisschen mit ihr herumlaufen und singen. Hahaha.“ Ja, wenn Papa den Laternenumzug so liebt, warum ist er dann nicht da?

 

Alles Kinkerlitzchen gegen einen Satz wie den von Jacques Chirac (bis 1988 französischer Premierminister), der die ideale Frau wie folgt definiert: “Eine Frau, die hart arbeitet, die Männer zu Tisch bedient, sich an ihren Tisch nicht setzt und auch nicht redet.“ Apropos viel reden: In einer Welt voller weiblicher Sportstars äußerte sich der Chef-Organisator der Olympischen Spiele in Tokyo gegen eine Frauenquote von 40 Prozent in Führungsgremien der Sportverbände. „Frauen reden zu viel“, sagte der 83 Jahre alte Ex-Regierungschef Mori und musste daraufhin seinen Hut nehmen.          Immerhin!

Die Hälfte der Menschheit sind Frauen, aber noch immer werden Entscheidungen in Politik und Gesellschaft vor allem von Männern getroffen!

Liebe Frauen, engagiert Euch! Und vor allem, vergesst nicht wählen zu gehen!

Und liebe Männer, es macht mehr Spaß im Team, wirklich!

 

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